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Welcher Stuhlstoff hält am längsten?

  • Autorenbild: Media ASKT
    Media ASKT
  • 26. Mai
  • 5 Min. Lesezeit

(Ein ausführlicher Leitfaden für Einkäufer, Gastronomen und Projektmanager)

Warum Stoffhaltbarkeit mehr ist als nur ein Qualitätsmerkmal

Ein Stuhlbezug ist kein Nebendetail, sondern ein Bauteil mit direktem Einfluss auf Gewinn- und Verlustrechnung. In hoch frequentierten Lokalen kommen pro Platz schnell 25 000 Sitzzyklen im Jahr zusammen. Platzt der Stoff nach 18 Monaten, entstehen Folgekosten weit jenseits des Materialpreises – von Reparatur und Ersatz über Ausfalltage bis zur schlechten Online-Bewertung, die am Ende Gäste kostet.

Eine Erhebung unter drei Mittelküchen-Ketten zeigt:

Kennzahl

Stühle mit ≥ 70 000 Martindale

Stühle mit < 40 000 Martindale

Reklamationsquote nach 24 Monaten

1,8 %

11,4 %

Ø Folgekosten pro Stuhl*

19 €

76 €

Am stärksten genannter Schaden

Kantenabrieb

Risse + Flecken

Effekte auf Gästebewertung

keine

-0,4 Sterne ø

*Kosten für Ersatzbezug, Arbeitszeit, entgangenen Umsatz.

Kernbotschaft: Ein robuster Stoff spart schnell das Vier- bis Fünffache seines Mehrpreises ein.

Wie Haltbarkeit gemessen und bewertet wird

1. Wichtige Prüfverfahren im Überblick



Test

Ablauf in einfachen Worten

Richtwert für Heavy-Duty

Alltagsnutzen

Martindale (EN ISO 12947)

Stoffkreise rotieren unter konstantem Druck auf Scheuermaterial.

≥ 50 000 Zyklen

Simuliert Reibung durch Kleidung.

Wyzenbeek (ASTM D 4157)

Stoff wird hin- und hergescheuert („Double Rub“).

≥ 15 000 Double Rubs

Vergleichswerte in US-Markt.

Zugfestigkeit (EN ISO 13934-1)

Stoffstreifen wird bis zum Reißen gezogen.

≥ 600 N längs, ≥ 400 N quer

Schutz vor Nahtaufbruch.

Pilling (EN ISO 12945-2)

Stoff knubbelt in Trommel; Note 1–5.

Note 4 oder 5

Verhindert Knötchen.

Lichtechtheit (EN ISO 105-B02)

Xenon-Lampe bestrahlt Stoff, Note 1–8.

≥ 6 innen, ≥ 7 außen

Kein Ausbleichen am Fenster.

Hydrolyse (ISO 1419)

Beschichtete Stoffe kommen wochenlang in Tropenklima (70 °C/95 % r. F.).

≥ 5 Jahre Beständigkeit

Wichtig für PU- und Vinyl.

Fleckschutztest (AATCC 130)

Öl, Kaffee, Rotwein werden aufgetropft, anschließend gereinigt.

Klasse 4 oder besser

Zeigt, wie leicht Flecken verschwinden.

2. Typische Fehler in Ausschreibungen

  • Nur einen Wert prüfen (z. B. Martindale) statt Komplettpaket.

  • Keine Mindestwerte definieren – Lieferanten liefern „irgendein“ Zertifikat.

  • Keine Stichproben nach Anlieferung – Serienware weicht oft vom Muster ab.


Die sechs Hauptstoffarten im Detail

1 .Echtleder


Merkmal

Wert/Spanne

Martindale

80 000 – 120 000

Zugfestigkeit

> 1 000 N

Preis

30 – 60 €/m²

Ø Lebensdauer

10 – 15 Jahre

HerstellungRinds- oder Büffelhäute werden gegerbt (chromfrei oder chromhaltig), gefärbt und mit Wachsen oder Lacken geschützt. Anilin- und Semi-Anilin-Leder behalten die natürliche Porenstruktur, Spaltleder wird mit PU beschichtet.

Stärken

  • Enorme Reiß- und Abriebstärke.

  • Entwickelt eine Patina statt zu pillen.

  • Wirkt hochwertig und wertet Räume auf.

Schwächen

  • Hoher Kaufpreis und Pflegeaufwand (2-3 Mal jährlich fetten, pH-neutrale Reiniger).

  • Temperaturempfindlich: klebt bei Hitze, wird kühl im Winter.

  • Tierisches Produkt, CO₂-Bilanz höher als bei Synthetics.

Häufigste AusfallursacheFett- und Säureflecken, die in offene Poren einziehen.


2. Kunstleder (PU / PVC-Vinyl)



Merkmal

PU-Qualität

Medizin-Vinyl

Martindale

50 000 – 80 000

70 000 – 100 000

Hydrolysebeständigkeit

3 – 5 Jahre

≥ 7 Jahre

Preis

10 – 18 €/m²

12 – 20 €/m²

AufbauTextilträger aus Polyester + Schaumschicht + PU- oder PVC-Nutzschicht.

Stärken

  • Flüssigkeitsdicht, desinfektions­sicher, viele Prägungen möglich.

  • Schwer entflammbar bis DIN 4102-B1 oder Crib 5.

Schwächen

  • Geringe Dampfdurchlässigkeit („schwitzen“).

  • Risse durch Hydrolyse in tropischem Klima oder direkter Sonneneinstrahlung.

  • Weichmacher-Debatte bei PVC.

TippAuf „phthalatfrei“ achten und Hydrolyse­garantie in Ausschreibung fordern.


3. Mikrofaser-Polyester



Merkmal

Basisware

Premiumware

Martindale

35 000 – 50 000

70 000 – 85 000

Pilling

Note 3

Note 4–5

Preis

6 – 9 €/m²

9 – 12 €/m²

HerstellungUltrafeine Polyesterfäden (0,2 – 0,5 dtex) werden dicht gewebt oder gestrickt.

Stärken

  • Weich, wohnlicher Griff, große Farbauswahl.

  • Gute Farbechtheit (5–6), pflegeleicht.

Schwächen

  • Langhaarige Stoffe pillen schnell, wenn Fasern schlechter Qualität sind.

  • Fett und Öl ziehen tiefer ein als bei Barriere-Geweben.

PraxisnoteIdeal für Bürostühle, Wohnbereiche und Gastronomie mit mittlerem Publikumsverkehr.


4. High-Performance-Polyester (Crypton®, Aquaclean, FibreGuard)



Merkmal

Typischer Wert

Martindale

60 000 – 100 000

Pilling

Note 4–5

Flüssigkeits­barriere

dauerhaft, auch nach > 30 Wäschen

Preis

18 – 25 €/m²

TechnikWährend des Färbens dringen Harze und Silikatpartikel in jede Faser. Flüssigkeit bleibt an der Oberfläche – selbst Rotwein lässt sich mit Spülmittel abwischen. PFAS-freie Serien nutzen Silikon- oder Polymerfilme mit Klasse 4 Öl- und Wasserschutz.

Pluspunkte

  • Deutlich weniger Flecken, sehr abriebfest.

  • Manche Linien mit Silberionen (99 % Bakterienreduktion).

  • Erfüllt Brandschutz EN 1021-1+2 ohne Extra-Barriere.

Minuspunkte

  • Höherer Meterpreis.

  • Recycling komplizierter, weil Beschichtung entfernt werden muss.

Beste EinsatzorteRestaurants, Hotels, Wartezonen, Bildungseinrichtungen.


5. Solution-Dyed Olefin (Polypropylen)



Merkmal

Wert

Martindale

30 000 – 50 000

Lichtechtheit

Note 7–8

Wasseraufnahme

< 0,05 %

Preis

8 – 12 €/m²

HerstellungFarbpigmente werden direkt in die Schmelze gegeben, Garn ist „durch und durch“ gefärbt.

Stärken

  • Sehr UV- und chlorbeständig, bleicht kaum aus.

  • Schimmelresistent, trocknet rasch, 100 % recyclebar.

Schwächen

  • Abriebwerte nur mittel.

  • Statische Aufladung kann Staub anziehen.

  • Verformt sich bei Heißdampf > 90 °C.

HauptanwendungOutdoor-Gastronomie, Pool-Lounges, Biergärten.


6. Naturfasern (Baumwolle, Leinen, Hanf)



Merkmal

Baum-/Leinen-Mix

Martindale

15 000 – 25 000 (roh)

Pilling

Note 3–4

Preis

10 – 16 €/m²

CO₂-Fußabdruck

1,8 – 2,5 kg pro m²

Stärken

  • Angenehmes Sitzklima, atmungsaktiv.

  • Natürlicher Look, niedrige Herstell-Emissionen.

Schwächen

  • Flecken ziehen tief ein, knittert leicht.

  • Kürzere Lebensdauer ohne Imprägnierung.

Passende OrtePrivat-Dining, Boutique-Hotels, Showrooms.


Vor-/Nachteile-Tabelle

Stoff

+ Vorteile

− Nachteile

Leder

Höchste Abrieb- & Reißfestigkeit, edel, lange Lebensdauer

Teuer, Pflege nötig, Temperatur-Empfindlichkeit

Kunstleder

Flüssigkeitsdicht, desinfektionsfest, günstiger

Wenig atmungsaktiv, Rissgefahr, Weichmacher-Thema

Mikrofaser

Weich, preiswert, viele Farben

Pilling bei Billigware, statisch, Fett zieht ein

High-Perf-Polyester

Perlt Flüssigkeit ab, bis 100 k Martindale, antibakteriell

Höherer Preis, Recycling komplex

Olefin

UV-fest, wasserabweisend, recyclebar

Mittlere Abriebwerte, statisch, kein Heißdampf

Naturfaser

Atmungsaktiv, natürlicher Look

Fleckenempfindlich, knittert, kürzere Lebensdauer


Auswahl in fünf Schritten

  1. Nutzungsfrequenz ermitteln (Sitzvorgänge/Tag).

  2. Fleckprofil festlegen (Rotwein? Öl? Desinfektionsmittel?).

  3. Reinigungskonzept klären (nur feuchtes Tuch, Dampf, Chemie).

  4. Umweltbedingungen prüfen (Sonne, Außenbereich, Luftfeuchte).

  5. Nachhaltigkeitsziele definieren (OEKO-TEX, Recycling-Anteil, PFAS-frei).

Praxisregel: Für Heavy-Duty-Gewerbe immer mindestens zwei Prüfwerte fordern: Martindale ≥ 50 000 und Fleckschutzklasse ≥ 4.


Zwei ausführliche Fallstudien

1. Restaurant „Rheinblick“, Köln

Kennzahl

Vorher (PU-Leder, 35 k)

Nachher (Crypton, 85 k)

Sitzvorgänge/Tag

70

70

Reklamationen/Jahr

18

3

Kosten für Neu­polsterung

6 240 €

Umsatzverlust durch Ausfall

4 200 €

ROI Stoffwechsel

< 8 Monate

2. Open-Space-Büro, Amsterdam

Kennzahl

Mikrofaser (Basis)

Olefin-Mix

Sitzvorgänge/Tag

20

20

Problem

Pilling nach 14 Monaten

Farbe bleicht nach 30 Monaten

Lösung

Wechsel auf Premium-Mikrofaser (75 k Martindale)

Austausch durch High-Perf-Polyester mit UV-Finish

Bemerkung

Mitarbeiterzufriedenheit +8 %

Stromkosten für Klimaanlage sanken, da hellere Stoffe weniger Wärme aufnehmen


Reinigung und Pflege – kurz erklärt



Stoff

Reinigungsmittel

Häufigkeit

Do-&-Don’t

Leder

pH-neutrale Seife, Lederfett

Wöchentlich abstauben, 2-3×/Jahr pflegen

Kein Alkohol, keine Bleichmittel

Kunstleder

Alkohol- oder Chlorreiniger

Täglich möglich

Keine Scheuerschwämme

Mikrofaser

Lauwarmes Wasser + mildes Spüli

Nach Bedarf

Nicht scheuern, immer trocken tupfen

High-Perf-Polyester

Wasser + Neutralseife; starke Flecken mit 1:10 Bleichlösung

Nach Bedarf

Bleichmittel nur verdünnt

Olefin

Gartenschlauch, milde Seife

Monatlich

Kein Heißdampf > 90 °C

Naturfaser

Trockenes Absaugen, Flecken sofort tupfen

Wöchentlich

Keine übersättigte Nässe


Trends bis 2027

  • PFAS-freie Barrieren: Silikon- und Acrylfilme ersetzen Fluorchemie.

  • Recycling-PET-Garne: 40 – 50 % Flaschenanteil, 70 000 + Martindale, volle OEKO-TEX-Zertifizierung.

  • 3-D-Strick: Luftpolster verbessern Sitzklima, Stoff bleibt formstabil.

  • Digitaler Produktpass: Jede Charge erhält QR-Code mit Prüfwerten und CO₂-Bilanz.

  • Biobasierte PU-Beschichtungen: Rizinus- oder Sojaöl senken CO₂-Fußabdruck um 20 %.


Beschaffungstipps

  1. Muster unter Realbedingungen testen (24 h in Kaffee, Öl, Sonneneinstrahlung).

  2. Zertifikate prüfen: EN- und ISO-Nummern müssen auf Prüfbericht stehen, nicht nur „Pass“.

  3. Langzeitgarantie verlangen (Hydrolyse, Farbechtheit).

  4. Nachlieferbarkeit klären – Stoffserien sollten min. 5 Jahre gelistet bleiben.

  5. Verpackungskosten einplanen – plastikfreie Lösungen sparen EU-Plastiksteuer.


Fazit

  • Es gibt keinen Stoff, der überall perfekt ist.

  • High-Performance-Polyester deckt die meisten gewerblichen Anforderungen ab und bietet das beste Preis-Nutzen-Verhältnis.

  • Echtleder überzeugt bei Prestige und langer Lebensdauer, wenn Budget und Pflege vorhanden sind.

  • Olefin bleibt die erste Wahl draußen, wo Sonne und Regen dominieren.

Wer Martindale-Wert, Fleckschutz, Reinigungskonzept und Umweltfaktoren sauber abfragt, reduziert Reklamationen drastisch und spart auf lange Sicht viel Geld.

 
 
 

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